Oft genug gelange ich während einer Mediation an den Punkt, an dem erst einmal gar nichts mehr geht. Beide Seiten sind so ineinander verhakt, machen sich gegenseitig Vorwürfe und streiten lauthals miteinander. Dann heißt es meist, durchatmen und kurz innehalten. Und wenn es passt, fragen: „Das mag Ihnen vielleicht etwas seltsam vorkommen, aber mir ist gerade eine Geschichte in den Sinn gekommen, die ich Ihnen gerne erzählen würde. Darf ich?“
So helfen Geschichten die Konflikthypnose zu durchbrechen
Wenn beide Streitparteien sich gegenseitig in der Konflikthypnose gefangen halten, drehen sie sich einfach nur im Kreis. Wenn beide Seiten nicht bereit für einen Perspektivwechsel sind, muss also eine Wendung passieren, um die Energie in eine neue Richtung zu lenken. Dabei hilft es, die Ebene zu wechseln, weg vom rationalen Denken, hin zum emotionalen Denken. Eine Geschichte zu erzählen, die zur Situation und zum Erleben der Konfliktparteien passt, bringt den Konflikt auf eine andere Ebene. Die Beteiligten werden kurz passiv, hören zu und lassen sich auf die Erzählung ein. Dabei gewinnen sie Distanz zu ihrem eigenen Konflikt, was ihnen ermöglicht eine neue Perspektive einzunehmen.
Konstruktiver Austausch wird möglich
Die Geschichte wird somit zum Spiegel und Mittler, weil sie das bildhafte Verstehen aktiviert. Die Zuhörer fangen an, sich mit den Figuren und Handlungen zu identifizieren, sie übertragen ihre eigenen Erlebnisse, Sehnsüchte, Bedürfnisse und Gefühle auf die Geschichte. Das bewirkt oft ein Umdenken. Außerdem normalisiert die erzählte Geschichte die eigenen Erlebnisse im Konflikt, weil den Zuhörern verdeutlicht wird, dass auch andere Menschen mit ähnlichen Themen und Problemen konfrontiert sind. Das nimmt dem eigenen Konflikterleben die Schwere. So vermittelt die Geschichte sozusagen zwischen den Konfliktparteien und sorgt dafür, dass beide Seiten ihre Widerstände ablegen und in einen konstruktiven Austausch treten.
Zeitpunkt und Geschichte müssen stimmen
Um diese Methode in der Mediation anzuwenden, ist es wichtig tatsächlich den passenden Moment abzupassen, um eine geeignete Geschichte erzählen zu können. Hinzukommt, dass die Geschichte auch tatsächlich zum Erleben der Medianten passen muss.
Erzähle ich während einer Mediationssitzung eine geeignete Geschichte im richtigen Moment, kann dies eine große Wirkung haben. Was sogar soweit geht, dass die Geschichte eine nachhaltige Verhaltens- und Haltungsänderungen bei den Medianten bewirkt. Das Besondere dabei ist, dass Geschichten sowohl das rationale als auch das emotionale Denken ansprechen. Das aktiviert die Fantasie und Intuition der Konfliktparteien. So können die Bilder sie ermutigen neue Lösungen für ihren Konflikt zu finden.
(Bildquelle: © Dr. Stephan Barth/pixelio.de)