Früher dachte ich immer Streit sei ein schlechtes Zeichen. Und dass Harmonie das große Ziel im Zusammenleben mit Mitmenschen sei. Dass Streit etwas ist, was es zu vermeiden gilt. Im Laufe der Zeit habe ich diskutiert und gestritten. Zu einer Beziehung oder Freundschaft gehört eben auch Streit. Ich finde streiten sogar wichtig. Also ich meine jetzt nicht, unkontrollierte Wutausbrüche oder Sticheleien aus Langeweile, sondern das Austragen von Meinungsverschiedenheiten. Wenn alles immer nur nach dem Motto Friede, Freude, Eierkuchen verläuft, kann eine Beziehung schnell oberflächlich, beliebig oder belanglos werden.
Warum ist Streiten wichtig?
Weil es dazu beiträgt, dass man in der Auseinandersetzung mit seinen Mitmenschen herausfindet, was man möchte und was man nicht möchte, dass man seine eigenen Werte kennenlernt und für sich selbst einsteht. Dass man seine eigenen Interessen kennenlernt. Streit trägt dazu bei, sich als Individuum abzugrenzen, eine eigene Meinung zu entwickeln und zu dieser Meinung zu stehen.
Streit reinigt und intensiviert Beziehungen
Streit verdeutlicht, dass Menschen unterschiedliche Interessen vertreten oder andere Werte haben. Auch ein heftigerer Wortwechsel oder gerade ein heftiger, rüttelt auf, regt zum Nachdenken an und fördert ein tieferes Verständnis füreinander. Streit bietet die Möglichkeit, seine eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu erforschen. Es ist gut, sich manchmal fremd zu sein. Erst wenn Wahres ausgesprochen wird, kann der Konflikt sich auflösen und wieder losgelassen werden. Streiten ist sowohl eine Auseinandersetzung mit dem Anderen als auch mit sich selbst. Letztendlich finde ich fördert streiten die Beziehungsfähigkeit. Ohne Konflikte, wenn also alles immer harmonisch verlauft, gibt es keine Weiterentwicklung. Ich sehe Streit als eine Aufforderung, für Klärung zu sorgen oder eine Änderung herbeizuführen.
Erst ausgesprochenes wird verhandelbar
Konstruktive Streitkultur, anstatt sich Boshaftigkeiten an den Kopf zu werfen, zu fragen, was stört mich, was wünsche ich mir, was fühle ich, was sind meine Bedürfnisse. All das fördert das Verständnis füreinander. Sobald etwas ausgesprochen wird, wird es behandelbar. Es kann darüber diskutiert werden und beide Seiten können einander akzeptieren. Natürlich können die Wogen zunächst auch erst einmal höher schlagen, aber hinterher flauen sie wieder ab. Und das ist das Gute am Streiten: sobald etwas ausgesprochen wurde, verliert es seine Bedrohung. Streiten bedeutet für mich, miteinander im Austausch zu sein.